Dies ist kein Nachruf. Denn oft senden Dinge gerade dann, wenn sie zu Ende gehen, ihre stärksten Signale aus.
A L’ARME!, das Festival mit dem kämpferischen Ausrufezeichen im Namen, feiert mit der zwölften Ausgabe zugleich seinen Abschied. Seit 2012 eröffnet A L’ARME! immer wieder neue Perspektiven auf Jazz, Noise und experimentelle Musik, ermöglicht überraschende Kollaborationen, die über das Feld der Musik hinausreichen, und hat damit eine ganze Generation von Hörer:innen geprägt. Diese Errungenschaften werden das Festival auch nach seinem Finale überdauern. A L’ARME! verschwindet, um zu bleiben. In Erinnerung. Als Haltung. Als Möglichkeitsraum.
A L’ARME! war nie eine Stabilisierungs- oder Bestätigungsmaschine von bereits Bekanntem. Dieses Festival ist das, was Pauline Oliveros ein „sehr instabiles nicht-lineares System des Musikmachens“ nannte. Oliveros beschrieb mit diesen Worten die Versuchsanordnungen, durch die Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre ihre frühen elektronischen Kompositionen entstanden. „Instabil“ muss dabei im positivsten Sinne verstanden werden: A L’ARME! agiert ohne Scheu vor prekären Balancen, lässt Unsicherheiten zu, bringt die Verhältnisse in Bewegung. „Nicht-linear“ ist das Programm mit seinen Querverbindungen von Musik zur bildenden und performativen Kunst sowie durch die Gelegenheiten für unkonventionelle Kollaborationen und Begegnungen, die es Jahr für Jahr schafft.
Den Macher:innen Louis Rastig und Karina Mertin sowie ihrem gesamten Team geht es gerade um die Verunsicherung des vermeintlichen Status-quo. Sie wissen, dass Improvisieren heißt, auch auf die Zeit zwischen den Tönen zu hören. Sie lassen spontane ästhetische und soziale Choreografien zu, die in den kurzen Momenten zwischen Entstehung und Auflösung jene entscheidenden Impulse generieren, die immer neu immer anderes anstoßen. Im Artwork für die diesjährige Ausgabe wird diese Praxis bildlich eingefangen: Das Finale setzt sich – als eine ständig in Bewegung bleibende Formation – aus einer Unzahl einzelner Partikel zusammen.
Eine Stammgästin des Festivals, die sich in dieser Bewegung von Anfang an wiederfand und diese Impulse maßgeblich unterstützte, war Monika Döring. Für sie lebte hier in anderer Form weiter, was sie selbst als Veranstalterin zahlloser Konzerte im Loft, des Tunix-Kongresses und von Festivals wie Mythen Monster Mutationen seit den späten 1970er Jahren in Berlin angeschoben hatte. Der letzte Tag der letzten A-L’ARME!-Ausgabe ist ihr gewidmet, ihrem unschätzbaren Einfluss auf die Musikszene und ihrem eigensinnigen Geschmack. Beides wirkt weiter, auch nachdem Monika Döring sich im Mai 2024 vom irdischen Dasein verabschiedet hat.
A L’ARME! feiert diese Konstanten und blickt nach vorn. Dies ist kein Nachruf, sondern eine Aufforderung, ein Imperativ. Das Ende dieses Festivals ist ein Statement und ein starkes Signal. Es will gehört werden. Es wird Echos finden.
— Arno Raffeiner
This is not an obituary. After all, the strongest signals are often sent out right before something comes to an end.
The 12th edition of A L’ARME!, the festival with the combative exclamation point in its name, will also be its last. Since 2012, A L’ARME! has continually offered new perspectives on jazz, noise, and experimental music and paved the way for unexpected collaborations far beyond the field of music, thereby influencing an entire generation of listeners. These achievements will outlast the festival itself long after its final edition. A L’ARME! is disappearing only to live on forever. In our memories. As an attitude. As a space for possibilities.
A L’ARME! was never an instrument of stabilization or confirmation of what is already familiar. The festival is what Pauline Oliveros called a “very unstable nonlinear musicmaking system.” Oliveros used these words to describe the experimental setup she used in the late 1950s and early 1960s to create her early electronic compositions. The word “unstable” must be understood as a positive: A L’ARME! operates without fear of precarious equilibria, allows for uncertainty, sets things in motion. With its interconnections between music, fine arts, and performance as well as the opportunities for unconventional collaborations and interactions that it has created year after year, the festival’s line-up is “nonlinear.”
The festival’s founders – Louis Rastig and Karina Mertin – and their entire team are dedicated to questioning the supposed status quo. They know that improvisation also means listening to the spaces between the notes. They leave room for spontaneous aesthetic and social choreographies in which the brief moments between emergence and dissolution generate the stimuli that are responsible for constantly triggering something new, something different. This practice will be captured visually in the artwork for this year’s edition: as a formation that remains constantly in flux, the finale will be made up of innumerable individual particles.
One of the festival’s regular attendees – someone who felt right at home in this constellation and who was a key supporter from day one – was Monika Döring. For her, A L’ARME! was a sort of continuation of what she herself had jump-started in Berlin since the late 1970s as the organizer of countless concerts at Loft, the Tunix-Kongress, and festivals like Mythen Monster Mutationen. The last day of the last edition of A L’ARME! will be dedicated to her, to her inestimable influence on the music scene, and to her unmistakable style – both of which will continue to live on even though Monika herself passed away in May 2024.
A L’ARME! celebrates these constants and looks to the future. This is not an obituary; it is a call to arms, an imperative. The end of this festival is a statement and a powerful signal. It demands to be heard. Its reverberations will be felt.
—Arno Raffeiner